Hallo ihr Lieben! Mittlerweile ist es schon über 1 Monat her, dass ich den gewohnten, deutschen Boden verlassen habe. Also ist es wirklich höchste Zeit, euch ein bisschen zu berichten. Aber fangen wir mal von vorne an.

Nach langer Ungewissheit wann wir denn endlich ausreisen können, kam dann letztendlich die Bestätigung für den Flug am 16. September. Nun hieß es: Koffer packen, und zwar so, dass das maximale Gewicht von 23 kg nicht überschritten wird. Eine Vorgabe, die ich anfangs doch echt stark unterschätzt habe. Also musste alles, was zu viel Gewicht hatte und nicht ins Handgepäck durfte oder gepasst hat, zuhause gelassen werden. Ein paar Schuhe und Sonnencremes leichter ging es dann zum Flughafen nach München.

Von dort aus bin ich mit fünf weiteren Mädels über Paris und Mexiko nach San José geflogen. Nach ca. 30 Stunden sind wir endlich angekommen und wurden am letzten Flughafen unserer Reise von Carlos (einer der Verantwortlichen in CR) herzlichst empfangen. Mit voll beladenem Taxi startete unsere erste Fahrt in ein regelrechtes Verkehrschaos zu unserem Hotel in Heredia, wo wir die ersten Tage noch alle zusammen verbrachten.

Dort nahmen wir an verschiedenen Seminaren mit Themen wie Sicherheit, Kultur, Verhaltensregeln usw. teil. Da es in Costa Rica keine Adressen gibt, sondern nur Beschreibungen, haben wir eine Übung gemacht, damit wir uns zurechtfinden. Meine Adresse würde ich zum Beispiel folgendermaßen beschreiben: Von der Schule von Villas de Ayarco 50 Meter östlich, beige Hausfarbe, schwarze Türen. Wir bekamen in Gruppen Gebäude zugeteilt, die wir in der Stadt ausfindig machen sollten, indem wir Passanten gefragt haben, wo sich diese befinden.

Am Sonntag unternahmen wir dann den ersten größeren Ausflug in die Mall, um dort SIM-Karten zu kaufen. Trotz nicht vorhandener Spanischkenntnisse meinerseits und minimalem Englischvokabular der Verkäuferin hatte ich am Ende des Tages eine funktionierende costa-ricanische Handynummer. Und das ist ja die Hauptsache. Gleich am nächsten Morgen mussten wir sehr früh aufstehen, um nach San José zu fahren. Dort wurden unsere Fingerabdrücke für das Visum aufgenommen. Ein weiterer notwendiger Schritt, nachdem ich in Deutschland schon Unmengen an Formularen beantragen und ausfüllen musste. Schlussendlich aber auch der letzte, denn zur Migrationsbehörde wird eine Anwältin für uns gehen und dann den Rest erledigen. Anschließend bekamen wir von Carlos noch eine kleine Tour durch die Stadt. Wir bekamen eine Führung im Theatro Nacional (ein bisschen Kultur schadet ja nicht) und besuchten den Mercado Central. Das Theater gilt als das schönste Gebäude der Hauptstadt und ist bekannt für die prunkvolle Ausstattung. Es wird sogar immer noch für Vorführungen genutzt. Der Mercado Central ist der größte Markt in San José. Im Prinzip eine riesige Halle mit hunderten Geschäften, Ständen und Restaurants. Dort wird eine große Auswahl an Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse, Kaffee und Souvenirs bzw. lokales Kunsthandwerk verkauft.

Am 21. September endeten unsere ersten Einführungstage und unsere Gruppe wurde für die Sprachkurse aufgeteilt. Für die Fortgeschrittenen ging die Reise weiter nach Turrialba und für die Anfänger, also auch mich, nach Jacó. Das absolute Highlight auf dem Weg dorthin war ein kleiner Zwischenstopp bei einer Brücke, an der man Krokodile in freier Wildbahn beobachten kann. Unfassbar beeindruckend die Tiere, die man nur aus dem Fernseher oder dem Zoo kennt, in ihrem natürlichen Lebensraum zu sehen, wenn auch aus sicherer Entfernung. Der Tag wurde abends in Jacó (meine Heimat für die nächsten 2 Wochen) durch einen wunderschönen Sonnenuntergang am Strand abgerundet.

Trotz des Urlaubsfeelings waren wir dort ja nicht zum Entspannen. Jeden Morgen um 09:00 begann unser Spanischunterricht und endete, wenn wir mit der Lektion, die für den Tag geplant war, fertig waren. Der Unterricht fand in unserer WG, einem Haus in Jaco statt, in der wir für den Sprachkurs zu zehnt zusammenwohnen. Zum Mittagessen gab es typisch costa-ricanisches Essen, also meistens Reis, Bohnen oder Linsen, Platanos (Kochbananen) und verschiedenes Fleisch.

Natürlich haben wir aber auch nicht nur gelernt. Nachmittags wurde oft die Stadt erkundet oder am Strand gebadet. Auf dem Programm stand auch eine Tanzstunde und ein Surfkurs von dem alle so begeistert waren, dass wir am 2. Wochenende gleich nochmal einen gebucht haben. Außerdem ein Ausflug zum Mirador, ein Aussichtspunkt mit Blick auf den Strand, wo wir auf dem Weg sogar Affen in den Baumkronen beobachten konnten. Aber so beeindruckend wie manche Tiere hier sind, wie z.B ein Leguan, der während des Unterrichts durch den Garten spaziert ist, so schnell können sie auch zur Plage werden, wie wir in unserer WG des Öfteren feststellen musste. So wurde die ein oder andere Ameisenstraße aus der Küche gekehrt, Kakerlaken eingefangen und ein Frosch nach draußen gebracht.

Wir besuchten auch einen Englisch-Kurs, um dort mitzuhelfen bzw. um unsere Englischkenntnisse zu erweitern und machten am Wochenende unseren ersten Ausflug mit dem Bus an einen anderen Strand. Da es keine wirklich zuverlässigen Fahrpläne gibt, haben wir gezwungenermaßen auch viel Zeit an der Bushaltestelle verbracht. Aber es hat sich gelohnt. Die ersten zwei Wochen vergingen wie im Flug und unser Sprachkurs und somit auch die letzten Tage zusammen neigten sich schnell dem Ende zu.

Dann kam auch schon der spannendste Tag… der letzte Morgen mit den anderen Freiwilligen in Jaco und somit auch der erste Tag in meinem zuhause für das kommende Jahr. Wir wurden zusammen nach San José gebracht und teilten uns dann auf, um zu unseren Wohnorten weiterzufahren. Da ich lange nicht wusste, in welche Gastfamilie ich kommen würde, hatte ich bis auf ein paar WhatsApp Nachrichten vorher noch so gut wie keinen Kontakt mit ihnen. Dementsprechend nervös saß ich auf dem Beifahrersitz des Uberfahrers auf dem Weg nach Villasde Ayarco.

In meiner neuen Straße angekommen wurde ich von einem Jungen, meinem jüngeren Gastbruder empfangen. Nach ein paar Minuten traf dann auch meine Gastmama ein und begrüßte mich sehr herzlich. Am Abend lernte ich dann auch noch meinen älteren Gastbruder kennen. Meine Gastfamilie besteht also aus Alba (45), Derek (16) und Juan (25). Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und freue mich, hier mein Jahr zu verbringen. Dazu dann aber mehr beim nächsten Mal! Ganz liebe Grüße

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Seit Mitte April diesen Jahres durfte ich im Rahmen meines Praxissemester für 22 Wochen ein Teil des Visioneers-Teams sein und dabei viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Doch erst Mal ganz kurz zu mir, ich bin Judith, 22 Jahre alt und ich studiere Soziale Arbeit in Regensburg, doch wie es der Zufall so will hat es mich für mein Praxissemester für ein halbes Jahr vom beschaulichen Bayern ins bunte Berlin verschlagen und – so viel sei schon gesagt – ich habe es definitiv nicht bereut das Leben in der Großstadt einmal auszuprobieren.

Gleich zu Beginn meines Praktikums durfte ich voll in das Projekt „Mobile Jugend-Lern-Hilfe.Jetzt“ einsteigen, bei dem ich jeden Vormittag in einer stationären Wohngruppe für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren war und sie beim Homeschooling unterstützt habe sowie eine Zeit lang auch jeweils zwei Nachmittage pro Woche in einer Unterkunft für Geflüchtete und 2 Nachmittage in einer Jugendwohngemeinschaft, wo ich ebenfalls beim Deutsch lernen und Homeschooling helfen durfte, unterwegs war. So habe ich einen guten Einblick in verschiedene stationäre Einblicke erhalten, was super spannend und aufschlussreich für mich war, da diese ja auch ein Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit darstellen. Nachdem sich die Kinder und Jugendlichen nach kurzer Zeit an mich gewöhnt haben und ich mich an sie, habe ich mich jeden Tag auf meine Arbeit in den verschiedenen Einrichtungen gefreut. Wenn alle Schulsachen schnell erledigt waren, war manchmal auch noch Zeit gemeinsam etwas zu spielen oder Zeit um mir das neue Fahrrad eines Kindes anzusehen, welches mir stolz präsentiert wurde. Bis zum Beginn der Sommerferien war ich also relativ wenig im Büro und ganz viel unterwegs wodurch ich auch Berlin besser kennen lernen konnte – was natürlich ein ziemlich cooler Nebeneffekt für mich war 🙂

Mit den Sommerferien startete dann auch die heiße Phase der Vorbereitung für die Sommerferienschule, bei der ich auch viel mitorganisieren durfte. Ich war besonders in die Planung des Nachmittagsprogramms involviert, welches von Volleyball über Bouldern und Museumsbesuche so einiges für die Jugendlichen zu bieten hatte. Doch auch für den Deutschunterricht konnte ich ein Paar Grammatik-Themen mit vorbereiten und dadurch auch mein eigenes Wissen in diesem Bereich ein bisschen auffrischen. Nach ausführlicher Planung und Vorbereitung kam dann der lang ersehnte Tag: der Beginn der Sommerferienschule. Endlich war es trotz Corona möglich, dass eine größere Gruppe an Jugendlichen ganz ohne Bildschirm sondern live und in Farbe zusammen lernen, sich austauschen und Berlin zusammen entdecken konnte. Die zwei Wochen sind wie im Flug vergangen und es war so schön zu beobachten, was für Fortschritte die Jugendlichen im Deutschunterricht machten und besonders auch wie sie als Gruppe zusammengewachsen sind und was für Freundschaften sich entwickelt haben. Umso trauriger war es dann natürlich, dass der letzte Tag der Ferienschule so schnell kam und es schon wieder Zeit zum Abschiednehmen war. Doch einige der Jugendlichen kamen auch so noch zu uns ins Büro für Beratung oder Nachhilfe, sodass ich sie trotzdem noch ab und an sah.

Ein weiterer Bereich meiner Arbeit, der mir mit am meisten Spaß machte, waren auch eben diese Beratungsgespräche, bei denen ich Jugendliche bei den unterschiedlichsten Aufgaben unterstützen durfte. Besonders im Bewerbungsprozess für Praktika oder Ausbildung habe ich die jungen Menschen begleitet aber auch bei der Wohnungssuche oder bei sämtlichen Angelegenheiten mit verschiedenen Ämtern. Die Dankbarkeit der Jugendlichen und dass sie sich mir anvertraut haben hat mich sehr motiviert und natürlich auch, dass wir das ein oder andere Erfolgserlebnis gemeinsam feiern durften. Das alles hat mein Praktikum bei Visioneers unfassbar abwechslungsreich und lehrreich gemacht und ich bin super dankbar, dass ich mit einem so tollen Team arbeiten durfte und einen so vielseitigen Einblick in die Arbeit eines sozialen Vereins bekommen konnte!

Nun ist schon Monat neun meines Bundesfreiwilligendienstes vorbei und ich steuere langsam auf das Ende zu. Vor fünf Monaten habe ich einen ersten Blogartikel über meinen BFD geschrieben, was ist seitdem Neues passiert?

Unser Visioneers Team hat sich über die Zeit vergrößert und es gibt viele neue Gesichter im Team, u.a. Miriam und Sabeth, die als Sozialpädagoginnen einen großen Teil der Jugendarbeit übernehmen und zwei super Ansprechpersonen für mich sind. Außerdem ist Andres aus Costa Rica nun auch Bundesfreiwilliger bei Visioneers.

Ihm zeige ich die Programme, mit denen wir arbeiten und erkläre ihm Aufgaben. Es macht Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten und neues über seine Kultur zu lernen. Ein bisschen Spanisch hat er mir auch schon beigebracht, immerhin kann ich schon auf „¿cómo estás?“ antworten (Beweis: Muy bien y tu?).

Momentan sieht mein Arbeitsalltag so aus, dass ich zwei Mal in der Woche im Homeoffice arbeite, dann erledige ich Aufgaben am Computer, z.B. Designs für Social Media, Formulare für weltwärts oder die Webseite updaten. Den Rest der Woche bin ich im Büro oder in der Willkommensklasse der Sophie-Scholl-Schule. Seit die Schulen wieder geöffnet haben, gehe ich dort wieder regelmäßig zur Unterstützung der Schüler:innen beim Deutsch lernen hin und begleite Giresse bei den Workshops in der Klasse.

Ich konnte auch einen Einblick in unsere aktuellen Projekte bekommen. Für das Projekt Mobile Jugend Lernhilfe.Jetzt war ich Januar bis März in einer Wohngruppe in Berlin-Dahlem und habe dort die Jugendlichen bei ihren täglichen Aufgaben im Homeschooling unterstützt. Es war zwar nicht immer leicht, die Schüler:innen zu motivieren, aber mit der Zeit habe ich sie besser kennengelernt und wusste, wer wie tickt.

Auch beim Lernbrücken-Projekt habe ich zumindest kurz mitgearbeitet, in den Osterferien habe ich mit einer Kollegin zusammen eine Ferienlernzeit in der Carl-Sonnenschein Grundschule angeboten, bei der Schüler:innen die Möglichkeit hatten, verpassten Lernstoff nachzuholen.

Es ist schade, dass viele Projekte nicht stattfinden konnten oder verschoben werden mussten. Vor allem der Kontakt zu den Jugendlichen fehlt mir manchmal. Ich fände es sehr schön, noch den offenen Jugendtreff bei Visioneers mitzuerleben.

Aber jetzt freue ich mich erst einmal auf die Projekte, die noch anstehen, wie die Sommerferienschule und das weltwärts-Seminar in Präsenz.

Das Abschlussseminar meines Freiwilligendiensts konnte sogar gerade in „Halb-Präsenz“ stattfinden und ich war 3 der 5 Tage im Seminarhaus mit einem Teil meiner Seminargruppe. Ich bin sehr froh, dass ich zumindest bei meinem letzten Freiwilligenseminar für ein paar Tage vor Ort sein konnte und es war richtig schön, die anderen Freiwilligen mal besser kennenzulernen und sich richtig austauschen zu können. Abgesehen davon war es auch ziemlich cool, mal wieder mehr Leute auf einmal kennenzulernen und gemeinsam in einem Seminarhaus zu übernachten, ein bisschen wie Urlaub.

Aber auch wenn die letzten Monate sehr von den Corona-Einschränkungen geprägt waren, hatte ich immer etwas zu tun und der Arbeitsalltag war nicht eintönig. Ich kann mittlerweile sagen, dass ich schon viel selbstständiger geworden bin, beim Arbeiten, aber auch sonst im Alltag. Ich habe viel über andere Kulturen und Religionen, Deutsch als Fremdsprache und den Arbeitsalltag in einem gemeinnützigen Verein gelernt. Für mich war der Freiwilligendienst bei Visioneers genau die richtige Entscheidung, die ich immer wieder so treffen würde.

Wertschätzung lässt Verbundenheit und Vertrauen wachsen. Es ist der Treibstoff für die Straße des Lebens, den wir täglich brauchen“ (Jeanette Holdingausen).

Wieso beginnen wir also erst die Dinge wertzuschätzen, wenn wir sie nicht mehr haben oder sie nicht mehr greifbar sind? Vielleicht fühlen wir uns deshalb an so vielen Tagen träge, schlapp und ohne Motivation. All das, weil wir nicht jeden Tag wertschätzen, nicht die kleinen, positiven Dinge zu schätzen wissen? Hätten wir mit mehr Wertschätzung den nötigen Treibstoff, den wir bräuchten, um jeden Tag unsere Straße des Lebens energievoll zu bestreiten? Warum haben die negativen Dinge so viel Gewicht, sodass die positiven Dinge in Vergessenheit geraten?

Wertschätzung bedeutet das Schätzen von einzelnen oder mehreren messbaren Eigenschaften einer Sache oder von Individuen. Was würde passieren, wenn wir einzelne Sachen oder Personen mehr wertschätzen würden? Würden wir dann positiver, glücklicher und zufriedener durch das Leben ziehen? Eigentlich ist die Antwort ganz einfach – ja würden wir! Wieso also nicht gleich mit mehr Wertschätzung beginnen? Deshalb appelliere ich an die Leser dieses Blogeintrages, für einen kurzen Moment in sich zu gehen und die Augen zu schließen. Denkt an Personen und Sachen, die ihr in eurem Leben schätzt. Denkt an den heutigen Tag und jedes noch so kleine, positive Ereignis, dass ihr noch nicht wertgeschätzt habt. Ich bin der Meinung, dass mit mehr Wertschätzung die Menschheit präsenter wäre und mehr im Moment leben würde.

Mit diesem Blogeintrag will ich mich genauer mit den Dingen befassen, die ich an meinem Jahr in Costa Rica wertschätze. Ich will nicht erst damit anfangen, wenn ich wieder in Deutschland bin und die Personen und Sachen so weit weg oder ungreifbar sind. Ich möchte über die Dinge nachdenken, die ich hier liebe, für die ich dankbar bin, die ich anerkenne. Ich möchte mehr Treibstoff für meine Straße des Lebens sammeln. Ich will nicht enttäuscht in Deutschland sitzen, weil ich gewisse Momente und Personen nicht wertgeschätzt habe und sie deshalb in Vergessenheit geraten sind.

German, unser Nachbar

Ein schon etwas älterer Mann mit einem großen Herz für Mensch und Tier. German ist einer der herzlichsten Menschen, die ich kenne. Ich habe großen Respekt vor ihm. ich schätze und achte ihn sehr. German arbeitet als Security nachts vor einer Bar. Das ganze 12 Stunden und 6 Tage die Woche. Meistens sind es sogar deutlich mehr als 12 Stunden, da er in der letzten Zeit häufig viel später als normal von der Arbeit zurück gekommen ist. Heute beispielsweise kam er erst um 8 Uhr morgens zurück, obwohl seine Schicht eigentlich um 6 Uhr zu Ende ist. Von 18 Uhr abends bis 8 Uhr morgens arbeiten – das sind 14 Stunden! Für mich unvorstellbar. Und ob er die Überstunden bezahlt bekommt? Wohl eher nicht. Dazu kommt, dass er bei seinem Job kaum Geld verdient. Wie wenig er verdient, weiß ich leider nicht und kann somit nur vermuten. Der Mindestlohn in Costa Rica liegt bei ca. 500$ pro Monat. Das bedeutet, dass German bei 72 Stunden pro Woche und 288 Stunden pro Monat rund 1,70$ pro Stunde verdienen würde. Dabei muss beachtet werden, dass Costa Rica ähnlich teuer wie Deutschland ist. Dass German wenig Geld hat, ist deutlich erkennbar an seinen Lebensverhältnissen.

Er lebt in einer Wohnung mit nur einem kleinen Zimmer, in dem alles steht, und einem winzigen Bad. Eine Küche besitzt er nicht, weshalb unsere Vermieterin immer für ihn kocht. Seine Kinder leben in der Hauptstadt San José. Doch oft fehlt das Geld für den Bus, um seine Kinder zu besuchen oder Sachen in der Hauptstadt zu erledigen. Trotz alledem kauft er regelmäßig Futter für unsere Katze. Er liebt es, unsere Katze zu füttern. Jedes Mal freut er sich aufs Neue wenn er der Katze Futter gibt. Deshalb füttern wir unsere Katze mittlerweile nicht mehr und füllen lediglich die Flasche mit Katzenfutter auf, damit German die Katze füttern kann. Oftmals kommen sogar 3 andere Katzen und betteln um Futter. Obwohl alle Katzen nicht seine (eigentlich auch nicht unsere) Verantwortung sind und er kaum Geld hat, gibt er jedes Mal aufs Neue jeder Katze Futter. Ebenfalls hat er uns bereits des Öfteren auf ein Eis eingeladen. Er klopft an unserer Tür und sagt, dass er Eis für uns hätte. Wir setzten uns mit ihm draußen hin, schlabbern das Eis und unterhalten uns. Er scheint glücklich und zufrieden zu sein. Mein Herz geht auf.

Zudem hatte ich ihm erzählt, dass ich früher viel Flöte gespielt habe. Am nächsten Tag klopfte er an die Tür und schenkte mir seine wunderschöne aus Holz gefertigte, bemalte Flöte, die leider nicht mehr funktioniert. Ich konnte es kaum fassen. Ein Mann, der so wenig Besitz hat, schenkte mir ein Teil seines kleinen Besitzes. Doch genau das macht German glücklich – teilen und geben. Ich werde sein großes Herz in Deutschland sehr vermissen. Es gibt so viele Dinge, die ich an German wertschätze und bewundere. Ich wünschte, dass es mehr Menschen wie German auf dieser Welt geben würde. Ich bin dankbar, dass er unser Nachbar ist und ich ihn kennen lernen durfte. Ich habe bereits viel von German gelernt und durch ihn über viele Dinge nachgedacht.

Estrella

Außerdem schätze ich es sehr, ein Haustier zu haben – unsere Katze Estrella (Stern) – oder Coco? Die ehemaligen Freiwilligen haben uns erzählt, dass sie Coco heiße. Doch German meinte, dass ihr Name Estrella sei. Also nennen Lina und ich sie momentan Estrella. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie sehe. Es ist beruhigend, sie zu streicheln und zu kuscheln. Wie kann ein so kleines und zartes Tier so viel Wärme und Zuneigung schenken?

Eine weitere Sache, die ich wertschätze ist, dass wir auf einem Hof zwischen Ticos leben. Meiner Meinung nach ist das die beste Art und Weise, die Kultur zu erleben und zu entdecken. Um 5 Uhr kräht der Hahn. Um 6 Uhr beginnen die Leute rumzuschreien. Tumult rund um die Uhr. Nicht zu vergessen, die vielen Tiere, die ständig überall rumlaufen. Irgendwie klingt die Beschreibung meines Lebens zwischen Ticos nicht sonderlich schön. Ich kann nicht beschreiben wieso, aber genau das liebe ich alles. Mich stört es nicht, früh aufzustehen bzw. aufzuwachen. Das ist Teil der Kultur und ich bin schließlich hier, um die Kultur hautnah zu erleben.

Anderer Standard

Ebenfalls bin ich dankbar für die Wohnung, in der wir leben. Ich würde sie als eine „Tico-Wohnung“ bezeichnen. Für mich bedeutet das, dass die Wohnung klein und sehr einfach gebaut sowie ausgestattet ist – nicht vergleichbar mit dem „deutschen Standard“, der deutlich höher liegt. Alles wirkt irgendwie dreckig, aufgrund der alten Möbel bzw. Einrichtung und der bröckeligen Wände. Auch aufgrund des Schimmels, der hier keine Seltenheit ist, wirkt alles schmutziger und ungemütlicher.

An das Bad musste ich mich am Meisten gewöhnen. Klein, eng, kein Platz zum Sachen abstellen und so einen „Duschkopf“ gibt es wohl kaum in Deutschland. Abermals klingt meine Beschreibung wenig nach Wertschätzung. Dennoch bin ich unglaublich froh, dass ich in einer Wohnung lebe wie die Ticos. Genau das gehört zu meiner Erfahrung dazu. Sonst wäre es ja langweilig, da hätte ich auch gleich in Deutschland bleiben können. Ein komplett anderer Lebensstandard. Mit weniger zu leben bzw. auszukommen, ein Zimmer teilen, weniger Privatsphäre – fernab von der Konsumgier der westlichen Länder und des Größenwahnsinns. Eine Erfahrung bzw. eine Lektion, aus der ich viel Nutzen ziehen kann.

Im Bett liegen, die Augen zu, und dem Meeresrauschen lauschen – ein kleiner und doch so schöner Moment, den ich wertzuschätzen weiß. Beim Einschlafen das Rauschen der Wellen hören, wie geil ist das denn bitte? Zudem wirkt es sehr entspannend und hilft beim Einschlafen, glaubt mir. Abends das Meeresrauschen und morgens gleich zum Strand. Wie schön es ist, für ein Jahr in einem Dorf direkt am Strand zu wohnen. In der Mittagspause kurz Sonne am Strand tanken oder schnell einmal in das Meer hüpfen. Nach der Arbeit oder am Wochenende das Surfboard schnappen oder stundenlang am Strand entspannen und Ukulele spielen, lesen Musik hören, Karten spielen, die Augen schließen, den angenehmen Wind im Gesicht und dessen salzige Brise des Meeres spüren. Schön lässt`s sich leben. Wertschätzung.

Auch die kleinen Dinge, wie das selbstgemachte Eis meiner Abuela, das als Ersatz für meine dunkle Schokolade wirkt, schätze ich. Schokolade und Erdnussbutter, Schokolade und Banane, Ananas, Kokosnuss, oder doch Schokolade pur? Die Entscheidung fällt mir immer schwer. Obwohl ich meine dunkle Schokolade doch sehr vermisse, bin ich froh, dass ich das Eis meiner Abuela habe.

Bleiben wir gleich beim Thema Essen. Gallo Pinto, das Nationalgericht Costa Ricas. Reis und Bohnen, einfach aber gut. Gibt es immer und überall und dennoch kann ich nicht genug davon bekommen. Zumindestens noch nicht. Wenn Gallo Pinto bei uns in der WG auf dem Tisch kommt, dürfen viel Lizano-Soße und Platanos nicht fehlen! Ich muss gestehen, dass ich es liebe und es sehr in Deutschland vermissen werde. Wie soll ich das bloß in Deutschland nachkochen, ohne die richtigen Bohnen, Kochbananen oder die Lizano-Soße? Vielleicht sollte ich damit anfangen, es jeden Tag zu essen? Wobei lieber nicht, sonst muss ich noch zwei Plätze auf dem Rückflug buchen…..

Meine Freiwilligenarbeit

Ein große Sache, die ich in Costa Rica ebenfalls wertschätze, ist meine Arbeit als Freiwillige. Ich bin dankbar, dass ich ein kleines soziales Projekt hier unterstützen darf. Ich weiß, dass ich die Welt nicht rette oder verändere, aber ich schätze es, dass ich einen kleinen Beitrag für eine bessere Welt leiste. Sei es nur einem Kind, ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Mit den Kindern zu spielen, zu basteln, zu lachen, rumzualbern – eine positive Sache, die nicht nur den Kindern viel Spaß bereitet und Energie schenkt, sondern auch mir. Auch die Kinder zaubern mir oft ein Lächeln in mein Gesicht, indem sie angerannt kommen, meinen Namen schreien, mich umarmen, mir Fragen stellen. So drücken die Kinder auf ihre eigene Art und Weise ihre Dankbarkeit aus. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Eine Erfahrung, aus der ich jeden Tag mehr lerne und mehr Nutzen ziehen kann. Meine Erfahrung, als Freiwillige zu fungieren, werde ich noch lange in Erinnerung behalten.

Das wunderschöne Land Costa Rica

Ich schätze nicht nur meine Erfahrung als Freiwillige, sondern auch, dass ich genug Zeit habe, um Costa Rica zu bereisen und zu entdecken. Costa Rica, ein Land mit einer unbeschreiblich schönen Natur und einer faszinierenden Tierwelt. Das Meer, der Strand, die Palmen, die Berge, die wunderschönen Sonnenaufgänge und -untergänge, die Berge, die Vulkane, Affen, Leguane, Riesenspinnen, Papageien, Faultiere. Einfach nur Wow. Ich bin schon viel gereist, aber eine Landschaft und eine Vielfalt wie in Costa Rica sehe ich zum ersten Mal. Nicht fehlen dürfen bei den Dingen, die ich an meinem Jahr in Costa Rica wertschätze, meine gewonnene Ruhe und Gelassenheit sowie die viele Zeit, die ich für mich habe und die wenigen Verpflichtungen. Einfach mal einen Tag, das tun, was ich will und nicht meinen unendlichen Verpflichtungen hinterherrennen, wie ich es in Deutschland tat. Eine Erfahrung, die mir unglaublich gut tut. Weniger Stress, mehr Ruhe, Gelassenheit, Entspannung und Zeit. Hoffentlich kann ich davon ein großes Stück zurück mit nach Deutschland nehmen.

Es gibt so viele Dinge und Personen, die ich an meinem Jahr in Costa Rica wertschätze, für dich ich dankbar bin, die ich liebe und respektiere. Würde ich noch mehr Sachen aufzählen, noch mehr ins Detaille gehen und die kleinen, winzigen Sachen betrachten, würde dieser Artikel das Maß überschreiten. Wie viel Freude es mir bereitet hat, diesen Blogartikel zu schreiben. Oft mit einem Lächeln im Gesicht, gut gelaunt, zufrieden, glücklich, entspannt, positiv – das Wunder der Wertschätzung.

Innehalten, durchatmen, wertschätzen, Treibstoff tanken.