HEIMKOMMEN

Und dann steht die Sonne plötzlich wieder im Süden und der Mond nimmt wieder von der richtigen Seite zu und ab. Wo ich vor einigen Tagen noch umgeben war von Regenwald, singenden Vögeln, fiependen Insekten und den bellenden Hunden auf den Straßen, dieser unglaublichen Biodiversität und all den Menschen, welche mich in den letzten Monaten begleitet haben, finde ich mich nun zwischen all dem fremden Bekannten wieder. Denn ich bin wieder in Deutschland, bin wieder „daheim“, bin wieder umgeben von all dem, was ich vor Monaten zurückgelassen habe, um meinen eigenen Weg zu gehen, fernab von meiner Familie, von meinen Freunden, von all dem Bekannten, um ein Abenteuer zu erleben, um neues zu sehen, um über mich selbst hinauszuwachsen, um zu leben. Und jetzt stehe ich an demselben Ort, wie vor einem halben Jahr als alles begann und erinnere mich an den Anfang zurück.

Ich stehe am Flughafen mit meinen Koffern, kurz vor dem Sicherheitsbereich und verabschiede mich von meiner Familie, das Herz so schwer, die Tränen laufen, und doch setze ich einen Schritt vor den anderen und mache mich schweren Herzens auf den Weg in das ferne, noch so unbekannte Peru. Ich habe nicht viel dabei, ein paar vereinzelte Worte Spanisch und ein kleines Päckchen Mut, welches mir in den kommenden Monaten so einige Male weiterhelfen wird.
Ich komme in Lima an, fühle mich sofort unwohl in dieser riesigen Stadt, der Verkehr ist so unübersichtlich, alles so groß und laut und erdrückend, so unfassbar fremd und weit weg von all dem Bekannten, von allem, an dem ich mich normalerweise festhalten würde. Doch hier bin ich zunächst allein. Ich verstehe die Sprache nicht, versuche mich mit Google-Übersetzter vom Flughafen zum Hostel durchzuschlagen, wo ich auf die anderen Freiwilligen treffe. Schon in den ersten Tagen in Lima verstehen wir uns blendend und wachsen schon bald nicht nur zu einem guten Team, sondern zu einer Familie zusammen, die sich gegenseitig Halt gibt und sich anspornt und immer ein offenes Ohr für den anderen hat.

Nach einigen ungewissen Tagen in Lima, vielen Telefonaten nach Hause, vielen Zweifeln, ob es die richtige Entscheidung gewesen ist, mich von meinen Füßen durch die Sicherheitskontrolle tragen zu lassen und nicht vorher kehrtzumachen und mich nicht auf all das hier, das Fremde und Ungewisse einzulassen, geht die Reise endlich weiter, ins ruhige Villa Rica, wo ich mich ab der ersten Sekunde so unfassbar wohl und aufgehoben fühle. Die Ankunft lässt viele meiner Zweifel, meiner Sorgen und Ängste verfliegen und weckt die Neugierde, die Aufregung, die Abenteuerlust in mir. Mit offenen Armen werden wir herzlichst empfangen, treffen auf eine weitere Freiwillige, auf unsere Chefin und Programleiterin und viele weitere Mitarbeitende und lernen das ganze Team ATIYCUY kennen. Natürlich ist es zu Beginn ein wenig überfordernd auf so viele fremde Gesichter zu treffen, die mich kennenlernen wollen, die mir Fragen stellen, zu meiner Familie, meinen Hobbies, meinen Lieblingsessen, doch mein Spanisch gibt zu diesem Zeitpunkt leider nicht viel mehr her als „Hola, me llamo Tamara y tengo 19 anos“.
Aus diesem Grund können wir in den ersten Wochen leider nicht sofort mit der Arbeit im Projekt starten, sondern machen uns erst einmal daran, unser Spanisch zu verbessern und die Sprachbarriere zu überwinden. Stück für Stück werden wir immer mehr ein Teil vom Team und der Familie ATIYCUY. Nach den ersten Wochen der Eingewöhnungsphase wurden wir unseren Projekten zugeteilt. Josua und Lara, zwei meiner Mitfreiwilligen, werden dem Kinderpatenprogramm ANNA und dem Kulturerhaltungsprogramm REYA zugeteilt, während ich neues Mitglied im Umwelterziehungsprogramm EDA werde.

Das Programm EDA

EDA kümmert sich vor allem darum, Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Villa Rica, den Centros Poblados und den Comunidades einiges zu verschiedenen Themen, welche die Umwelt betreffen, beizubringen. Beispielsweise werden verschiedene Workshops zu Themen wie Nachhaltigkeit, Kohlenstoffkreislauf, Rechte bei Verkauf von Holz und anderen Ressourcen, Ökosystemdienstleistungen, der Weg des Wassers und vieles mehr durchgenommen.
Alle Abläufe und Aufgaben des Programms auf Spanisch erklärt zu bekommen ist zu diesem Zeitpunkt zwar immer noch nicht ganz einfach, aber mit Nachfragen und selbstständigem Kombinieren kann ich doch einiges verstehen und von Anfang an viele Aufgaben und Verantwortung übernehmen. Ich versuche mich im Team einzubringen und meinen Koordinator Beder und Julio, seine Assistenten, bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Von der Vorbereitung des Materials für die Workshops, über administrative Aufgaben im Büro, der Planung von Kostenvoranschlägen bis zur Dokumentation von Workshops bin ich für jede Arbeit, die anfällt, zur Stelle und darf meine eigenen Ideen und Vorstellungen stets in unsere Arbeit einfließen lassen.
Die ersten Ausflüge in die Comunidades stehen auch schon früh an. Tief im Regenwald darf ich auf Yanesha Dörfer treffen, mit welchen wir zusammenarbeiten, darf ihre Kultur näher kennenlernen, erfahren, wie sie vom Wald leben und wie der Wald sie mit allem versorgt, was sie für ihr Leben benötigen. Ich fühle mich ein weiteres Mal mit offenen Armen in Empfang genommen, bin fasziniert von der Lebensweise der Yanesha und denke viel über mein eigenes Leben nach.
Die Tage und Wochen und Monate streichen ins Land und ziehen nur so an mir vorbei. Ich finde mich wieder, wie ich durch die befahrenen Straßen Villa Ricas spaziere und den Trubel um mich herum genieße. Der Verkehr, ein einziges Chaos, lautes Hupen übertönt die Motorgeräusche. Ich treffe auf bekannte Gesichter, grüße im Vorbeigehen und fühle mich wohl in den mittlerweile so bekannten Straßen und Gassen. Ich lerne, mir durch einen Spaziergang oder eine Laufeinheit einen Ausgleich zu dem sonst so stressigen Arbeitsalltag zu schaffen, etwas abzuschalten und mich von den Geräuschen, vom Trubel um mich herum und von dem, was ich ganz tief in mir fühle und empfinde, tragen zu lassen.

Zwischen Unterschieden und Privilegien

Seit August lebe und arbeite ich in Costa Rica in der gemeinnützigen Non-Profit- Organisation Sayú, wo ich Englisch- Deutsch- und Musikunterricht gebe und bei regelmäßigen weiteren Aktionen (wie Strandreinigungen und Jugendcamps) mithelfe.
Schon einige Zeit vor meinem Abitur wusste ich, dass ich einmal für längere Zeit im Ausland leben und arbeiten möchte. In der Schule hat mir vor allem der Spanischunterricht gefallen, in dem wir auch etwas über lateinamerikanische Kulturen gelernt haben, weshalb für mich schnell klar war, wohin es mich treibt. Einen Freiwilligendienst in einem anderen Land zu absolvieren, hat mich besonders interessiert, weil ich eine andere Kultur kennenlernen und neue Blickwinkel erhalten wollte.
Nun sind fast 11 Monate vergangen und meine Mitfreiwilligen und ich müssen bald wieder unsere Heimreise nach Deutschland antreten. In diesem Artikel will ich noch einmal auf das vergangene Jahr zurückblicken und dabei verschiedene Aspekte näher beleuchten.

Das erste, was mir einfällt, wenn ich an Costa Rica denke, ist „Pura Vida“, das Lebensmotto der Costa Ricaner:innen und eine ständig verwendete, universell einsetzbare Floskel im Sprachgebrauch. Sie beschreibt die Einstellung der Menschen hier sehr passend: Dankbarkeit, Lebensfreude und alles kommt zu seiner Zeit.
Ich weiß, das klingt sehr klischeebeladen und wird mit Sicherheit auch in jedem Reisebericht über Costa Rica stehen, aber es ist wahr. Natürlich begegnet man hier trotzdem auch unfreundlichen und ungeduldigen Menschen. Aber ich muss sagen, dass mir immer wieder auffällt, dass hier oft über Dinge gelacht wird, über die man sich in Deutschland aufgeregt hätte und sich stressen lassen würde.

Unterschiede in den Kulturen

Zur Kultur und vor allem zu den Unterschieden zu Deutschland gibt es so viel zu sagen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Trotzdem möchte ich klarstellen, dass meine Aussagen zu den Menschen und ihrer Kultur lediglich auf meinen persönlichen Erfahrungen beruhen und daher natürlich nicht auf alles und jeden übertragen werden können.

Religion

Gleich zu Beginn meines Aufenthalts ist mir aufgefallen, dass die Religion hier eine sehr wichtige Rolle im Leben der Menschen spielt. Die meisten Menschen in Costa Rica sind tiefgläubige Christ:innen, ich selbst habe noch keine einheimische Person kennengelernt, die sagt, sie glaube nicht an Gott. Die Religion spielt sich nicht nur im Privaten und Persönlichen ab, sondern auch im öffentlichen Leben. Beispielsweise werden religiöse Schriftzüge auf Linienbusse gedruckt oder in offiziellen Reden auf das Christentum Bezug genommen.

Familie

Des Weiteren ist mein Eindruck, dass neben dem Glauben, auch die Familie das Zentrum vieler Costa Ricaner:innen ist. Anders als in den westlichen Gesellschaften, wie Deutschland oder den USA, spielt Individualismus und Selbstständigkeit hier eine untergeordnete Rolle und wird eher als egoistisch und kalt angesehen. Für viele Eltern wäre es undenkbar, ihr Kind mit 20 oder gar 18 Jahren alleine „in die Welt ziehen zu lassen“, wie wir Freiwilligen es gemacht haben.
Die Meinung der Eltern ist oft noch im Erwachsenenalter von Bedeutung und ist zum Teil auch mit einem Mitspracherecht gleichzusetzen. Auch das traditionelle Familienbild, inklusive Rollenverteilung von Mann und Frau ist hier, aus meiner Sicht, noch stark verankert. Damit einher geht der Machismo, also das starke Betonen und Demonstrieren der traditionellen männlichen Geschlechterrolle, wobei die Frau dem Mann untergeordnet ist.

Schulbildung

Was mir vor allem bei meiner Arbeit, wo ich bei der Betreuung der Kinder in der lokalen Grundschule mithelfe, aufgefallen ist, ist dass die Qualität der Schulbildung gering ist. Mein Eindruck ist, dass viele Schüler:innen nicht viel vom Unterricht mitnehmen, was vor allem daran liegt, dass zu wenig Personal in den Schulen vorhanden ist und die Lehrkräfte somit nicht auf den individuellen Lernfortschritt eingehen können. Seit letztem Jahr werden nämlich die Schüler:innen mit Autismus oder dem Down-Syndrom in die regulären Klassen inkludiert, ohne dass jedoch zusätzliches Personal zur Verfügung steht. Dementsprechend können diese nicht richtig gefördert werden und bleiben mehr oder weniger auf der Strecke.
Das ist folglich auch eine sehr schlechte Voraussetzung für Chancengleichheit und versperrt vielen Menschen Perspektiven im Leben. Ein weiteres Problem ist der unzureichende Englischunterricht. Obwohl in touristischen Regionen kulturelle Fächer vom Stundenplan gestrichen und durch weitere Englischstunden ersetzt wurden, sind oft nicht einmal Englischgrundkenntnisse bei den Kindern vorhanden.
Mir wurde hier immer wieder bewusst, wie viele Chancen und Möglichkeiten wir in Deutschland haben. Dies betrifft zum Beispiel auch den späteren Bildungsweg durch unsere vielen staatlichen Universitäten.

(Auch wenn es auch dort noch immer sehr viele Defizite in Sachen Chancengleichheit gibt.)

Eine lange Reise

So langsam neigt sich mein Freiwilligendienst dem Ende zu, welches zu Beginn noch so weit entfernt erschien… Jetzt fehlen plötzlich nur noch ein paar Monate, bis es vorbei ist. Wie schnell doch die Zeit vergeht, 1 Jahr und fünf Monate sind einfach wie im Flug verstrichen!

Ich erinnere mich noch an meine ersten Tage im Büro; ich war voller Erwartungen und hatte noch viel zu lernen. In den ersten Wochen hier habe ich mich teilweise noch etwas verloren gefühlt, aber mit der Zeit habe ich mich sehr gut eingelebt, was unter anderem auch daran lag, dass ich bei meiner Ankunft schon etwas Deutsch sprechen konnte. Somit habe ich immer mehr Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten erlangt und bekam immer anspruchsvollere Aufgaben zugeteilt; sei es anderen Freiwilligen bei bürokratischem deutschen Papierkram zu helfen, eine Spende bei einer Behörde abzuholen oder auch mit einer Botschaft Gespräche über verschiedene Projekte zu führen.

Der Sommer

Schließlich kam der Sommer und mit ihm die Hitze und “die Baustelle.” In dieser Zeit haben wir die neuen Büroräume renoviert, was teilweise sehr anstrengend war… Aber es gab auch viele lustige Momente, die uns wiederrum dazu motiviert haben weiterzumachen, sodass die Büros nun echt super aussehen!
Abgesehen davon war auch die Ferienschule ein wichtiger Teil des Sommers sowie die Freizeitaktivitäten für die Jungs, die bei der Renovierung geholfen haben. Und natürlich habe ich auch viel Zeit draußen mit Freunden verbracht, zum Beispiel am See oder auf dem Tempelhofer Feld.
Bald darauf fing ich zudem an, in einem neuen Projekt mit dem Namen “Fit für die Schule” als Deutschlehrer mitzuhelfen sowie in der Wohngruppe bei der Betreuung von geflüchteten Jugendlichen.

Meine Reise nach Deutschland

Vor der Reise

Vor meiner Reise habe ich mich in einem großen Gefühlschaos befunden. Zum Teil war ich ziemlich nervös und ängstlich wegen meiner Reise nach Deutschland. Ich bin davor noch nie allein verreist gewesen und auch noch nie geflogen. Trotzdem war ich glücklich und gespannt darauf, während meines einjährigen Freiwilligendienst, Deutschland kennenzulernen.

Meine Mutter organisierte eine vorgezogene Abschieds-bzw. Geburtstagsparty für mich, was mir viel Mut gemacht hat, da ich gesehen habe, wie viele Menschen mich unterstützen und hinter mir stehen. Sie hat meine Freund:innen und meine Familie eingeladen. Wir haben uns auf dem Marktplatz bei uns getroffen, haben Pizza gegessen und die letzte Zeit zusammen genossen.

Unterwegs

Auf meiner Reise ist dann allerdings viel schiefgelaufen.
Zuerst wusste ich nicht, wohin ich mein Gepäck bringen oder wo ich einsteigen sollte, da ich bis dahin ja noch nie geflogen bin. Also habe ich am Flughafen eine Mitarbeiterin um Hilfe gebeten. Ich erzählte ihr, dass es meine erste Reise sei, woraufhin sie zum Glück sehr verständnisvoll reagierte und mir alles ganz genau erklärte.

Mein erster Flug ging nach Mexiko-City. Von Mexiko aus sollte ich dann nach Frankfurt weiterfliegen und schließlich in Berlin landen. Jedoch kam es dabei zu den ersten Komplikationen.
Mein Weiterflug in Mexiko hatte Verspätung, weshalb ich meinen Flug in Frankfurt verpasst habe. Schlimmer für mich war jedoch, dass ich in Frankfurt von der Polizei angehalten wurde, da es Probleme mit meinem Visum gab. Nach einer Überprüfung der Dokumente, wobei ich auch von VISIONEERS unterstützt worden bin, wurde mir aber doch noch erlaubt, weiterzufliegen. Allerdings schaffte mein Koffer den Anschlussflug nicht, sodass ich den ersten Tag in Berlin ohne meine Sachen verbracht habe. Am nächsten Tag war er aber wieder da, sodass alles doch noch gut ausgegangen ist.
Die Reise war trotzdem nicht nur aufgrund der Probleme eine große Herausforderung für mich, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass ich allein in ein mir fremdes Land gereist bin, ohne die Sprache verstehen und sprechen zu können. Außerdem komme ich aus einem kleinen Dorf, weshalb mich die Größe der Flughäfen zusätzlich überwältigt hat.

Interview – Centro de Habilidades OCTOPUS

Im April dieses Jahres war es endlich soweit: Mit der Eröffnung des “Centro de Habilidades OCTOPUS” erfüllte sich für Stephanie Campos Román und Roberto Vargas León ein Herzenswunsch.

Für VISIONEERS haben sie sich die Zeit genommen, diesbezüglich ein paar Fragen zu beantworten und ihr Projekt näher vorzustellen:

Mit dem Centro de Habilidades OCTOPUS bietet ihr nun seit einigen Wochen eine Kinderbetreuung im Stadtzentrum von Esterillos Este in Parrita an. Auf eurer Webseite habt ihr hervorgehoben, dass ihr euch jedoch nicht nur als ein “centro de cuido” – eine Kindertagesstätte – sondern vielmehr als ein Zentrum zur Entwicklung motorischer, emotionaler und sozialer Fähigkeiten für Jungen und Mädchen versteht. Wie genau würdet ihr die Einrichtung denn beschreiben? Welchem Kerngedanken verleiht ihr mit dem Zentrum und den dort angebotenen Programmen Ausdruck?

Wir kümmern uns um die ganzheitliche Entwicklung der Kinder, arbeiten unter anderem in sozial-emotionalen, psychosozialen, grob- und feinmotorischen, affektiven und sozial-affektiven Bereichen: Programme wie Kunst, Sport, Sprachen, Farbmonster, Montessori-Techniken und mehr… Wir bieten eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung an. Zudem arbeiten wir Hand in Hand mit den Eltern, um den Kindern eine bessere frühkindliche Entwicklung zu garantieren.

Meines Wissens nach begleitet euch der Gedanke dieser Wertevermittlung und Unterstützung schon etwas länger und das Zentrum bietet euch nun zwar den offiziellen Rahmen, ist jedoch nicht euer erstes Angebot, nicht wahr? Wie darf ich mir denn die Anfänge des Projektes vorstellen?

Als Missionare ist die Liebe zu den Menschen und die aufrichtige Sorge um sie unsere Philosophie. Deshalb sind wir nun seit mehr als vier Jahren in diesem Teil des Landes aktiv. Gott hat uns erlaubt, in Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu investieren, und zwar durch Sport (Trainingspläne, Training für jugendliche Radfahrer, Schwimmunterricht), emotionale Begleitung (aktives Zuhören, Bestätigung von Gefühlen, Unterstützung, Anleitung), sowie familiäre und geistliche Begleitung.

Ist der Montessori-Gedanke hier in Costa Rica stark verbreitet?

In Costa Rica gibt es zwar Montessori-Zentren, aber es sind nur wenige und die meisten von ihnen befinden sich in den Ballungsgebieten. Diese Methode ist kein zugängliches Angebot In eher ländlichen Gebieten wie hier in Parrita und der Umgebung.

Nun, da hat sich verglichen mit euren Projektanfängen wahrlich einiges getan und entwickelt – Glückwunsch. Mit so einer Projektumsetzung gehen allerdings sicherlich auch die ein oder anderen Herausforderungen einher. Hattet ihr manchmal Zweifel daran, ein so umfassendes Projekt auf die Beine zu stellen?

Ja, natürlich haben wir sehr gezögert, vor allem wegen der moralischen Verpflichtung gegenüber der minderjährigen Bevölkerung und den wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen, die mit der Gründung und dem Fortbestehen des Zentrums verbunden sind. Wir hatten Zweifel, ob die Kinder kommen würden und ob die Eltern es ihnen erlauben würden (da es sich um eine sehr konservative und traditionelle Gemeinschaft handelt, in der die Pflege und Betreuung üblicherweise von Mutter oder Verwandten übernommen wird).
Eine der größten Herausforderungen bestand unseres Erachtens darin, die Ziele der Kompetenzentwicklung in einer Bevölkerungsgruppe zu erreichen, die in ihrer Entwicklung erhebliche physische, psychische und soziale Nachteile aufweist. Doch wir würden sagen, dass man bereits innerhalb kurzer Zeit beobachten konnte, wie die Kinder Wörter in Englisch und Deutsch gelernt haben und wie sie Gewohnheiten der Höflichkeit und der sozialen Fähigkeiten wie der angemessenen Konfliktlösung in ihr tägliches Leben integriert haben, um nur einige Beispiele zu nennen.
Auch wenn es nach wie vor eine Herausforderung ist, das Projekt finanziell aufrechtzuerhalten, da die meisten Teilnehmer ein 100-prozentiges Stipendium des Programms erhalten, haben wir zu Beginn viel finanzielle Unterstützung von zwei internationalen Organisationen erhalten, die es uns unserer Meinung nach ermöglichten, den Jungen und Mädchen eine hochwertige Einrichtung zur Verfügung zu stellen. Die größte Herausforderung besteht jetzt darin, diese Tag für Tag aufrechtzuerhalten, beispielsweise in Bezug auf Ernährung, Human Resources und Ausstattungen.

Es ist ganz schön viel passiert

Während meinem bisherigen Freiwilligendienst in Deutschland ist ganz schön viel passiert. Hier erzähle ich euch von den verschiedenen Facetten, die so ein Freiwilligendienst in der ersten Zeit haben kann und wie ich diese Zeit erlebt habe.

Bevor ich nach Deutschland ging…

Ich hatte nur zwei Monate Zeit, um alle Dokumente zusammenzusammeln, die die Deutsche Botschaft in Costa Rica als Voraussetzung für mein Visum von mir verlangte. Glücklicherweise waren das nicht so viele Dokumente und auch die Mitarbeiter:innen in der Botschaft waren sehr herzlich zu mir, als ich dort war, um alles abzugeben. Währenddessen war ich auch mit VISIONEERS immer im Kontakt. Sie haben mir gesagt, welche Dokumente ich in der Botschaft vorlegen muss und mir dabei geholfen, einen Überblick zu behalten. Durch VISIONEERS wusste ich also, dass das Visumverfahren nach dem Gespräch in der Botschaft noch bis zu einer Woche dauern kann, weshalb ich mir nicht so viele Sorgen darum gemacht habe.

Als ich in Deutschland ankam…

Am elften April verließ ich Costa Rica. Ich hatte eine lange Reise vor mir. Aber als ich in Deutschland ankam, war ich froh und stolz, weil ich noch nie allein so weit gereist bin. Trotzdem war ich am Anfang meines Freiwilligendienstes ein bisschen gestresst. In Deutschland und ganz allein zu sein, stellt eine vollkommen neue Situation für mich dar, an die ich mich erst einmal gewöhnen musste. Allerdings war das nichts, womit ich nicht auch zurechtgekommen wäre.

Costa Rica – Ein Land mit zwei Gesichtern

„Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auf…“

… ist ein Satz, den man immer häufiger im Zusammenhang mit dem „Entwicklungsstand“ eines Landes hört. Er bedeutet, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Es gibt Länder, in denen kleine Wellblechhütten direkt neben riesigen Luxuswohnanlagen gebaut werden, in denen ausgebaute Straßen zu Villen führen, doch nur Schotterwege in die „Slums“, in denen es fließendes, klares und warmes Wasser nur für Menschen gibt, die es sich leisten können. Paradebeispiele für solche Länder sind zum Beispiel, Brasilien oder Südafrika. Doch auch Costa Rica weist solche Strukturen auf. In diesem Artikel kannst du herausfinden, wie das deutlich wird.

Das Paradies

Bunte Paradiesvögel fliegen über deinen Kopf, während du dir eine selbstgepflückte Kokosnuss zur Erfrischung holst. Faultiere kreuzen die Straße, auf der du gerade unterwegs zu einem wunderschönen Sandstrand bist. Du siehst, wie die Sonne in den schönsten Farben hinter einem Vulkan untergeht.
All das und vieles mehr findest du eingebettet zwischen pazifischem- und karibischem Meer im Urlaubsparadies Costa Rica. Vielfältige Landschaften und Mikroklimata machen das Land so einzigartig. Kilometerlange Strände, erfrischende Wasserfälle, aktive Vulkane und Berge, süße Früchte und eine außergewöhnliche Tier- und Pflanzenwelt, etwa fünf Prozent der weltweiten Artenvielfalt ist in diesem winzigen Land zu finden.
Das alles kann man in unzähligen Artikeln in Urlaubsbroschüren über Costa Rica finden. Dieses kleine Land hat viel zu bieten und ist daher ideal, um darin zu reisen, da es unfassbar viele unterschiedliche Naturspektakel auf kleinstem Raum zu entdecken gilt.

Zudem ist es das wohl fortschrittlichste und sicherste Land Zentralamerikas. So gilt Costa Rica zum Beispiel als Vorreiter im Klimaschutz. Dem umweltbewussten Land liegt seine Natur sehr am Herzen. Außerdem pflegt Costa Rica die Zusammenarbeit mit großen Wirtschaftsmächten und auch Menschenrechten wird hier eine vergleichsweise hohe Bedeutung zugeschrieben. Costa Rica wird auch als die „Schweiz Lateinamerikas“ bezeichnet, was zum einen an den (leider) sehr hohen Lebenshaltungskosten liegt, zum anderen aber auch daran, dass es schon seit vielen Jahren, eines der wenigen Länder weltweit ist, welches kein Militär besitzt. Das Geld, welches durch die Absetzung des Militärs eingespart wird, wird glücklicherweise in Bildung investiert. Die Verbesserung der Schulen und Universitäten verhelfen dem Land wirklich zu größerem Wohlstand und ermöglichen Kindern und Jugendlichen oftmals, aus dem Kastensystem auszubrechen.
Diese und viele weitere Aspekte machen Costa Rica so einzigartig und paradiesisch.

Erste Eindrücke

Das, was ich in meinen ersten Monaten als Freiwilliger in Berlin gelernt habe ist, dass hier kein Tag dem anderen gleicht, wodurch meine Arbeit hier nie eintönig wird. Berlin ist eine Stadt voller Geschichte und Kultur. Täglich sehe ich etwas Neues, das mich immer wieder überrascht. Das betrifft nicht nur die Architektur der Gebäude, sondern viel mehr auch die Menschen oder sogar so etwas Banales wie das Wetter. All diese Aspekte sind es, die das Leben in Berlin für mich so aufregend machen. Ich habe die Einfachheit entdeckt, mit der die Menschen in Berlin ihr Leben leben. Diese Art und Weise, das Leben zu leben oder die Betrachtung dessen, gefällt mir. Hier  scheint es keine Definition von “normal” zu geben. Die Menschen leben einfach ihr Leben glücklich und lassen andere ebenso ihr Leben leben, was für mich etwas sehr Besonderes ist. Denn in starren Gesellschaften, in denen die Menschen bestimmte Standards erfüllen müssen, um sich in ihrer Gesellschaft wohlzufühlen, beobachtet man so eine Leichtigkeit eher selten. Ein Beispiel, das ich aus meiner Heimat kenne, ist beispielsweise der Kleidungsstil. In Costa Rica wird es als seltsam betrachtet, wenn sich jemand anders kleidet, als es in der Gesellschaft anerkannt wird. Wenn also ein Junge hohe Schuhe trüge, würden die Leute über ihn abfällig reden, während sowas in Berlin nicht einmal wahrgenommen werden würde. Stattdessen kümmern sich die Leute hier nicht einmal um ihre Kleidung, was für mich die Reife und Vielfalt der Stadt demonstriert.

Was mache ich bei Visioneers?

Zu den Aufgaben, die ich bei VISIONEERS ausführe, könnte man sagen, dass alles sehr abwechslungsreich ist.

In meinem ersten Monat habe ich noch im Büro gearbeitet, um technische Probleme zu beheben, die täglich auftreten, wie z.B. das Zurücksetzen des Betriebssystems eines Computers oder das Reparieren eines Druckers, der nicht richtig funktioniert. Daneben habe ich auch an der Gestaltung einiger Beiträge für die Social Media Kanäle von VISIONEERS gearbeitet sowie an der VISIONEERS CR-Website. Ein weiteres Aufgabefeld war meine Mitarbeit bei Real.Life Berlin, der Partnerkirche von VISIONEERS. Hier habe ich als technische Unterstützung im Klang, während ihrer Gemeinschaftssonntage mitgeholfen. An diesen Sonntagen treffen sich die Mitglieder der Kirche, um zusammen Gott zu ehren, mit Musik lobzupreisen und über ihn zu sprechen.

Arbeiten im Liceo San Andres

Anfang Februar war es soweit!

Das neue Schuljahr hat begonnen und ich konnte die Arbeit im Liceo fortsetzen. Man kann das neue Jahr sehr gut mit einem Neuanfang vergleichen, da sich in der Schule etwas Grundlegendes verändert hat. Es gibt seit diesem Jahr eine neue Rektorin! Mir ist hier durch den Wechsel der Rektor:innen das erste Mal aufgefallen, wie viel Einfluss Rektor:innen in Costa Rica auf die Gestaltung des Schulalltags haben. Die jetzige Rektorin ist sehr daran interessiert, uns Freiwillige von der Finca mit einzubeziehen. Dadurch bekommen wir sehr viele Möglichkeiten, unsere Stärken und Interessen in der Schule einzubringen. Somit bin ich aktuell zweimal die Woche in der Schulküche tätig.

Meine Arbeit in der Schule

Meine Arbeit beginnt mit einem kurzen Spaziergang von der Finca zur Schule. Auf diesem Weg werde ich immer von unserer Hündin Luna begleitet. An der Schule angekommen, verabschiede ich mich noch kurz von Luna (wenn sie nicht schon etwas Interessanteres als mich entdeckt hat). In der Schule begrüße ich dann erst einmal meine Kolleg:innen, die meistens schon dabei sind, das Essen vorzubereiten. Wenn ich meine Arbeit beginne, unterstütze ich meistens zunächst bei der Zubereitung des Mittagessens. Dies kann zum Beispiel das Schälen, Waschen und Schneiden von Kartoffeln oder Gemüse sein oder auch das Marinieren oder Braten des Fleischs.

Wenn ich damit fertig bin, ist es ungefähr 8.30 Uhr. Passenderweise beginnt zu dieser Zeit das Frühstück für die Schüler:innen. Dort helfe ich gegebenenfalls bei der Ausgabe. Das hängt immer davon ab, ob es nur einen Snack oder ein richtiges Essen gibt. Ein richtiges Essen besteht hier (auch am Morgen!) aus Reis mit Bohnen und dazu Natilla. Für mich ist es immer ganz interessant zu sehen, dass die Lehrer:innen immer ein deutlich, in seiner Zubereitung, anspruchsvolleres Frühstück bekommen, als die Schüler:innen.

Nach der Essensausgabe machen meine Kolleg:innen und ich dann meistens selbst eine Frühstückspause. Tatsächlich ist diese Pause immer ziemlich lang.
Nach der Pause geht es dann in die Endvorbereitung des Mittagessens. Ein ungeschriebenes Gesetz ist hierbei, dass es IMMER Reis gibt. Die Beilagen variieren allerdings. So kann es Fleisch, Fisch oder auch Nudeln und Tomatensoße sein. Ja, es gibt als Beilage zu Reis, Nudeln mit Soße!

SCHNEE VON GESTERN

Buenos días,
mein Name ist Kevin. Seit drei Monaten leiste ich meinen Freiwilligendienst in einem Kindergarten in Berlin. Bis jetzt kann ich sagen, dass die Zeit hier spannender war, als ich gedacht hätte. Es sind viele gut Dinge passiert, aber es war auch nicht immer einfach für mich, mich hier zurechtzufinden, da manche Dinge wirklich kompliziert sind, wenn man hier seinen Freiwilligendienst leisten möchte. Die Bürokratie Deutschlands macht das einem manchmal nicht so leicht.

Aber wie der Titel meines Blogartikels (“Schnee von Gestern”, eine Redewendung, die ich während meines ersten Seminars hier gelernt habe) sagt, ist das alles schon vorbei und gehört der Vergangenheit an.
So sehe ich beispielsweise die Bürokratie in Deutschland eigentlich als etwas Positives an, weil sie zeigt, dass Deutschland in allen Bereichen klar strukturiert ist, auch wenn sie mich hin und wieder auf die Probe stellt und stresst.

Die ersten Tage in Deutschland

Mein erster Tag auf deutschem Boden war ein wenig verrückt, weil mein Koffer auf dem Weiterflug von Frankfurt nach Berlin am Frankfurter Flughafen steckengeblieben war, sodass ich den ganzen ersten Tag nur die Sachen hatte, die ich in meinem Handkoffer und in einem kleinen Rucksack mitgenommen hatte. Ich danke Esteban, einem anderen Freiwilligen, für die Geduld, die er hatte, während ich mein Gepäck sortierte. Auch hat er mir ein wenig über die Stadt und den Ort erzählt, in dem ich wohnen würde. Berlin ist eine Stadt, die mich jeden Tag überrascht. Hier ist jeder auf sich und sein eigenes Leben fokussiert. Niemand hat Zeit (oder nimmt sie sich), sich um andere zu kümmern, was seine Vor- und Nachteile hat.
Ich wohne mit ihm und zwei anderen Männern in einer WG. Zum Glück waren sie alle vom ersten Tag an sehr freundlich.